Dankbarkeit ist oft an Leistungen geknüpft. Wir können uns meist Dankbarkeit uns selbst gegenüber erlauben, wenn wir uns für eine (von uns also solche kategorisiert und bewertet) Leistung dankbar sind. Das ist okay, wichtig und völlig in Ordnung, wir vollbringen jeden Tag Verschiedenes, wir leisten etwas und natürlich dürfen wir dafür Dankbarkeit empfinden und uns auf die Schulter klopfen*. Interessant und erweiternd für unser Bewusstsein kann es sein, zu erkennen, was wir als Leistung anerkennen (und was nicht), wofür wir bereit sind, uns Dankbarkeit zu zollen. Dort liegt ein Schatz begraben, dort können wir beginnen, Dankbarkeit in uns für uns selbst (und dann auch für andere) wachsen zu lassen. In welcher Form wir das tun, hängt von der jeweiligen Persönlichkeit ab; ich persönlich finde es aufschlussreich, ein Dankbarkeitsbuch zu führen… wann immer mir danach ist, schreibe ich in dieses Büchlein hinein. Man kann auch mit sich selbst alleine eine WhatsApp-Gruppe gründen, sich digitale Nachrichten schreiben oder aufsprechen. Wichtig ist, dass das Medium leicht verwendbar ist und wir es gerne angreifen, benützen und tatsächlich verwenden. Der Akt des Aufschreibens bzw. Aufsprechens ist für sich genommen eine Form der Materialisation, damit wird es für uns selbst auch mehr Realität. Außerdem können wir bei Bedarf später nachlesen/-hören und so auch unsere (Entwicklungs-)Prozesse nachvollziehen (wenn das gewünscht ist).
Ich starte einen kleinen Versuch, einige wenige Aspekte und Kontexte des Lebens aufzulisten (die Liste ist endlos und sehr individuell), welche wir gerne als selbstverständlich bzw. welche wir als Verdienste anderer erachten und die wir daher selten in Dankbarkeit beleuchten:
- Dankbarkeit dir selbst gegenüber, dass du es geschafft hast, geboren zu werden, auf die Welt zu kommen
- Dankbarkeit für den Abschluss des Kindergartens (so du einen besucht hast)
- Dankbarkeit für den Abschluss der Grund-/Volksschule
- Dankbarkeit, dass du bisher alle Widrigkeiten in deinem Leben überlebt hast (halte nach den kleinen Widrigkeiten Ausschau, für die großen fällt uns Dankbarkeit leichter)
- Dankbarkeit, dass du deinen Alltag bewältigst (danke dir für einzelne Aspekte)
- Dankbarkeit, dass du bisher alle Verletzungen und Krankheiten überstanden hast bzw. gerade erträgst (beachte vor allem auch die scheinbar unbedeutenden wie zB Schnupfen)
- Dankbarkeit für die selbstverständlichen Vorgänge in deinem Körper, für jeden Atemzug (also für das Leben schlechthin), für jede Zelle, die von selbst wird und vergeht, für jeden Körperteil (wie fühlt es sich an, wenn du meditativ durch deinen Körper wanderst und dich bei deinen Organen einzeln bedankst, eventuell sogar nachspürst, was du an Reaktionen wahrnehmen kannst… jeder Zelle danke sagst… und bei Verletzungen, alten Narben verweilst und sie in Dankbarkeit tränkst…?)
- Dankbarkeit für alle Fehler, die du gemacht hast, auch für jene, die möglicherweise nichts Gutes in deinem Leben entstehen haben lassen. Auch für diese lass dir Dankbarkeit zukommen, auch, wenn du Widerstände in dir spürst. Widerstand ist menschlich. Erfülle auch die Widerstände in dir mit Dankbarkeit.
- Dankbarkeit für alles, das du immer wieder versuchst, aber noch nicht geschafft hast bzw. das du verändern möchtest, aber aus (dir bekannten oder unbekannten) Gründen bisher noch nicht begonnen hast
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Sei dir natürlich auch für die großen Errungenschaften in deinem Leben dankbar: für die Flucht, die du überlebt hast, deinen Wohnplatz, den du dir geschaffen hast, für Katastrophen, die du überstanden hast und für Schönheiten, die du (mit)erschaffen hast. Ich möchte es nochmal betonen: Der große Schatz liegt in den kleinen Aspekten, in jenen, die wir als „Ach, das ist ja nichts Großes“ abtun - denn in diesem Abtun liegen oft unsere Scham, unsere Schwäche im Selbstwert, unsere Unsicherkeit, und dort kann uns Dankbarkeit in der Heilung fördern. Dankbarkeit hat nichts damit zu tun, dass man mit stolzgeschwellter Brust herumwandert und auf andere herabblickt. Dankbarkeit ist vielmehr eine Schwester des Mitgefühls, sie nährt und stärkt ein mitfühlendes Herz. Dankbarkeit uns selbst gegenüber unterstützt uns, menschlich zu werden auf unserer Reise durch dieses Dasein… damit wir uns aus der Dankbarkeit für unser Leben heraus anderen zuwenden können, ebenso in Dankbarkeit.
*Wenn man sich selbst auf die Schulter klopft, klopft man meist auf die Vorderseite der Schulter (über der Brust). Dabei aktiviert man Akupunktur-/Akupressurpunkte, welche das ganze System stärken. Auch viele Orden und Auszeichnungen werden auf Höhe der „Schulterklopfpunkte“ (sehr oft links ueber dem Herzen) getragen.
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